Home      Kontakt
  Deutsch English Geschichte Bibliographie              
 
 

Palatiale Anlage der 15. Dynastie (Stratum D/3)

von Irene Forster-Müller
 
 
  Mit der Grabung im Areal F/II wurde vermutlich erstmals in der 40jährigen Forschungsgeschichte der Grabungen in Tell el-Dabca ein palastartiges Gebäude angeschnitten, das mit der regierenden 15. Dynastie in Zusammenhang gestellt werden könnte. Die Anlage zeigt einen außergewöhnlichen mehrgeteilten Grundriss und dürfte das Ergebnis einer agglutinierenden Entwicklung mit einer gewissen Vorausplanung sein. (Abb. 1)  
 
 
Abb. 1
 
 
  Der Bau erstreckt sich nach Westen hin Richtung Didamun-Kanal und nach Norden hin zum Areal F/I. Im Osten und Süden ist die Anlage durch den Nil begrenzt. Aufgrund der enormen Ausmaße der Anlage (ca. 18.000 m2) konnte nur ein Teil freigelegt werden.

Die Orientierung der Anlage erfolgt Nord-Süd (nach lokalem Norden), auffallenderweise ident mit der Palastanlage der 18. Dynastie in cEzbet Helmi. Möglicherweise nahm hier die topographische Tradition, den Palast in diesem Bereich der Stadt zu errichten, ihren Ausgang.
Die Anlage wurde mehrfach umgebaut. Da die untersten Schichten noch nicht erreicht sind, kann der Zeitpunkt der Erstnutzung einstweilen nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Die jüngere Verwendungszeit des Bezirkes kann in die frühe 15. Dynastie (Stratum E/2 bis D/3) datiert werden. Die Aufgabe des Baues erfolgte zur Zeit des Stratums D/3. Dieser Zeitpunkt kann durch das Material, das in der Grube L 81 gefunden wurde, festgelegt werden.

Der Bau war aus Lehmziegeln unterschiedlichen Formats errichtet worden; in einer älteren Phase wurden auch Sandziegel verwendet.
Das Gebäude besteht in vorläufiger Sicht aus vier ungleich großen Vierteln (Abschnitte A-D), die sich rings um einen Turm [M 49] gruppieren. C und zeitweise auch D waren große geräumige Höfe in diagonaler Lage zueinander. A und B hatten vermutlich eine höhere Begehebene für die wohl der Turm im Zentrum in der späten Phase der Anlage als gemeinsames Treppenhaus i.e. Verteilerplattform fungierte.

 
 
 

Abschnitt A
(Abb. 2) Der Abschnitt A ist ein in sich geschlossener Bau, der sich gegenüber der restlichen Anlage absetzt. Neben einer Einheit aus drei fast gleich großen (ca. 11,7 x 2,5 m) längliche Räumen [L23, L55, L59] liegt im Nordwesten noch ein weiterer kleinerer Raum [L12] (8,9 x 1,58 m). Die vier Räume sind an ihrem Nordost-Ende durch Türen untereinander verbunden, so dass sich eine Art Korridor bildet, der in den beiden nordöstlichen Räumen noch durch eingezogene Mäuerchen zusätzlich definiert ist. Der Zentralraum ist von Norden her durch eine 1,3 m breite Tür zugänglich, die in eine Gruppe von schmäleren länglichen Räumen führt. Während die Raumgruppe im Südwesten aus dicken Mauern errichtet wurde, die an eine Überdachung mit Tonnengewölbe schließen lässt, sind die bisher freigelegten Mauern der 5-6 Räume im Norden dünner, d.h. ehemals mit Flachdach gedeckt. Die beiden Gebäudehälften sind daher unterschiedlich akzentuiert. Alle Räume sind mit einem Pflaster aus Sandziegeln ausgestattet. Desweiteren ist ein Obergeschoß anzunehmen.
Die Funktion der Räume ist noch unklar; es könnte sich am ehesten um Bürogebäude mit Magazinen handeln.

 
 
 
Abb. 2
 
 
 

Gründungsdepot
In der Ostecke des Abschnittes A war ein Gründungsdepot L557 angelegt worden, das einen Modellnapf aus Fayence, eine Fayenceperlenkette, eine unbeschriftete Plakette und ein Siberarmband enthielt (Abb. 3). Die Gegenstände waren auf einer Schicht aus hellgelbem Sand deponiert, die die Trennschicht zwischen Gebäude A und einem unmittelbar darunter liegenden Vorgängerbau bildete.

 
 
 
Abb. 3
 
 
 

Abschnitt B
Der Abschnitt B besteht hauptsächlich aus einem Kastenmauerwerk mit einer Seitenlänge von über 30 m. Entlang seiner Nordwestseite ist ein Korridor, vermutlich eine Treppe oder Rampe, zu erkennen, der auf eine Landung führt, die später zu einen Turm [M 49] ausgebaut wurde. Dieses Kastenmauerwerk schließt einen mutmaßlichen Hof [L 186] ein, der über eine entlang der Wände angelegte L-läufige Treppe [M 81-83] vom Turm [M 49] her zugänglich war (Abb. 4). Neben dem Kastenmauerwerk gab es noch weitere ebenerdige Räume, welche zugänglich waren, wie man an Relikten eines Kalkestrichs am Boden erkennen konnte. Nach einem Umbau wurde im Südwesten des Kastenmauerwerks ein Magazin beziehungsweise ein Keller [L 177] errichtet. Südwestlich davon befand sich ein kleiner quadratischer Hof von etwa 22 m Seitenlänge, der vielleicht mit einer Kolonnade im SW ausgestattet war, die sich noch in Form einer Reihe von Säulengruben erhalten hat.

 
 
 
Abb. 4
 
 
 

Abschnitt C: Hof
Abschnitt C befindet sich im Nordostviertel der Gesamtanlage und wurde einstweilen nur durch den Magnetometersurvey erfasst. Es handelt sich um einen ca. 30 x 24 m großen Hof der an die Aussenwand der Gesamtanlage angrenzt und an drei Seiten von länglichen Räumen umgeben ist.

Abschnitt D
Abschnitt D besteht aus einem ca. 25 x 25 m großen Fläche, die zumindest zeitweise als Hof genutzt war, der entlang der Außengrenzen der Gesamtanlage von zwei Umfassungsmauern umgeben ist. An seiner Nordost und Südost-Grenze scheinen sich längliche Räume zu befinden. Dieser Abschnitt ist durch die Grabung nur angeschnitten und einstweilen nur durch den Survey erkennbar.

Ältere Bauphasen der Anlage
Unter dem Turm [M 49] kam ein älterer Bau zum Vorschein, der aus mehreren Räumen mit Originalfußböden besteht. Die Räume wurden unterschiedlich genutzt: In einem Raum L508, vermutlich eine Badeanlage, war eine Wasserleitung aus Kalkstein angelegt worden (Abb. 5). Der große Raum L 486 war zumindest zeitweise als Werkstatt verwendet worden, in der SW-Ecke konnten Brotöfen festgestellt werden, in der Mitte des Raumes fanden sich schlüssellochförmige Öfen zur Metallschmelze wie aus Schlackeresten in der Umgebung festgestellt werden konnte (Abb. 6).

 
 
 
 
Abb. 5   Abb. 6
 
 
 
Literatur:
Bietak M., Forstner-Müller I.
2006 Eine palatiale Anlage der frühen Hyksoszeit (Areal F/II). Vorläufige Ergebnisse der Grabungskampagne 2006 in Tell el-Dabca, Ä&L 16, 61-76.
2007 Ein rituelles Mahl und die Aufgabe eines Palastes, Festschrift Hermann Hunger, WZKM, Wien, 211-34.
Bietak M., Forstner-Müller I., Herbich T.
2006 Geophysical Survey and its Archaeological Verification. Discovery of a new palatial complex in Tell el-Dabca in the Delta, in: Z. Hawas, J. Richards (Hg.), The Archaeology and Art of Ancient Egypt, essays in Honor of David B. O’Connor, Cairo, 119-126.
Forstner-Müller I., Müller W.

2006
Neueste Ergebnisse des Magnetometersurveys während der Frühjahrskampagne 2006 in Tell el-Dabca/Qantir, Ä&L 16, 79-82