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Die Plansiedlung aus dem frühen
Mittleren Reich (F/I, Stratum e)
von Ernst Czerny |
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Im Jahre 1979 wurde innerhalb des archäologischen
Geländes von Tell el-Dabca mit Ausgrabungen
in einem Areal ca. 500 m westlich des eigentlichen Tells
begonnen, welches die Bezeichnung "F/I" erhielt
(Abb. 1). |
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Die bemerkenswerteste Struktur der vielfältigen Baurelikte
dieses Geländes war zweifellos der sog. "Palast",
eine Residenzanlage aus der frühen 13. Dyn. (s. den
Beitrag von R. Schiestl, F/I, str. d/1).
Unter diesem monumentalen Gebäude traten jedoch auch
frühere Kulturschichten zu Tage, deren älteste
(als F/I, str. e bezeichnet) die Reste einer direkt auf
der Gezirah (einem Sandrücken der natürlichen
Landschaft) aufsitzenden Siedlung aus ungebrannten Lehmziegeln
enthielt, die in die Zeit des frühen Mittleren Reiches,
wohl in die Regierungs-zeit Amenemhet I, des Gründers
der 12. Dynastie (1973–1944 v. Chr. nach K. Kitchen)
datiert werden konnte.
Es handelt sich bei diesen Siedlungsresten um die ältesten
bisher im Gebiet von Tell el-Dabca aufgedeckten
in situ Befunde (Abb. 2). |
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Offensichtlich handelt es sich um ein Element
staatlich organisierter Binnenkolonisation, mit der Absicht,
den O-Delta Rand zu konsolidieren und der königlichen
Administration dauerhaft zu unterstellen. Literarische
Quellen wie die „Lehre für König Merikare“
erwähnen die Anlage von Siedlungen im O-Delta als
Maßnahme der internen Kolonisation, und es ist ebenfalls
aus literarischen Quellen bekannt, daß gerade König
Amenemhet I der O-Grenze große Aufmerksamkeit schenkte.
Die Fortifikationsanlagen, die dieser König entlang
der O-Grenze errichtet haben soll, konnten archäologisch
bisher nicht nachgewiesen werden, aber es ist denkbar,
daß die Siedlung von Tell el-Dab’a-F/I, str.
e in einem Zusammenhang mit diesen Verteidigungsanlagen
steht, die in unmittelbarer Nähe vermutet werden
müssen.
Lediglich ein Teil im NO der Siedlung konnte freigelegt
werden. Entlang des N-Randes wurde ein Stück einer
Umfassungsmauer gefunden, jedoch weder ein Eck dieser
Mauer noch eine Toranlage. Die ehemalige Ausdehnung der
Siedlung läßt sich daher nicht erschließen.
Da die Mauer lediglich 1,60 m (4 ½ Ziegel) stark
ist, kann ihr wohl kein militärischer Charakter zugeschrieben
werden.
Die Zahl von 342 nachgewiesenen Häusern ist demnach
nur ein Teil der Gesamtanlage, die sich nach Westen und
Süden, vielleicht auch nach O weiter ausgedehnt haben
muß. Alle ausgegrabenen Häuser hatten dieselbe
Größe und waren nach einem einheitlichen Grundriß
angelegt. Sie waren in einfachen Blöcken entlang
der N-Mauer und in Doppelblöcken südlich davon
angeordnet. Die Blöcke der östlichen Reihe bestanden
aus jeweils 12 Häusern (6 Häuser im einfachen
Block an der N-Mauer), diejenigen der westlichen Reihe
aus wohl 24 (+ x?) Häusern (12 Häuser an der
N-Mauer). Ein größeres Gebäude unklarer
Bestimmung lag im NO-Eck der Siedlung, südlich davon
erstreckte sich ein freier, unbebauter Platz.
Obwohl jedes einzelne der Reihenhäuser aus 4 Räumen
bestand, die im rechten Winkel um einen Hof gruppiert
waren, zählen die Häuser zu den kleinsten in
Ägypten gefundenen Wohnbauten. Die Grundfläche
beträgt nur je 27 m2, sodaß die Siedlung, wenn
sie voll bewohnt war, sehr überfüllt gewesen
sein muß (Abb. 3, Abb. 4). |
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Dies scheint jedoch nicht, oder vielleicht
nur kurze Zeit zu Beginn, der Fall gewesen zu sein, denn
bald begannen die Bewohner ihre Häuser zu verändern,
wobei v.a. Zusammenlegungen zu größeren Einheiten
zu beobachten sind. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde
die ursprüngliche Anlage überhaupt abgetragen
und neue Häuser wurden errichtet, die nun viel geräumiger
waren und nicht mehr einem einheitlichen Plan folgten.
Die staatlich organisierte Planung war zugunsten von individuelleren,
"privaten" Gehöften aufgegeben worden,
die nun auch groß genug waren, um für gewerbliche
oder landwirtschaftliche Tätigkeiten nutzbar zu sein.
Dennoch wurden die Umrisse der Blocks beibehalten, und
die Außenmauern folgten dem alten Gassenverlauf.
Die Gebäude dieser jüngeren Phase der Siedlung
sind durch die Bauaktivitäten der darüberliegenden
Schichten des späten Mittleren Reichs sehr zerstört
und nur stellenweise nachgewiesen.
Die zu dieser Siedlung gehörige Nekropole konnte
nicht gefunden werden. Da die Siedlung offenbar geordnet
verlassen worden war, bestand das in der Siedlung angetroffene
Fundgut lediglich aus Scherben antik zerbrochener Keramik,
weggeworfenen oder verlorenen Silices und Tierknochen.
Alles organische Material ist im feuchten Erdreich des
Deltas vergangen.
Die Datierung der Siedlung konnte nur über die Auswertung
der Keramikfunde erfolgen. Die häufigsten Typen waren
flache und tiefe Schalen, kelchartige Knickwandschalen,
Flaschen, Vasen, Töpfe, Kochtöpfe, Zire, Brotformen
und sog. Spinnschalen (Abb. 5,
Abb. 6,
Abb. 7). |
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58% der Mündungsscherben waren aus
der Tonklasse "Nile B" und 29% aus "Nile
C". Aus "Nile E" und "Marl A"
waren jeweils weniger als 1%, aus "Marl C" hingegen
12% der Mündungsscherben. Die besten Parallelen bot
die Keramik aus der Siedlung Abu Ghalib am W-Deltarand,
aber auch zu Keramik aus Sedment, Harageh, Gurob, Beni
Hassan, Denderah, Qau, Rifeh, Tarif und Lisht fanden sich
Berührungspunkte. Scherben nicht-ägyptischen
Ursprungs waren extrem selten. Lediglich einige Stücke
sehr roher handgemachter Töpfe traten auf, deren
Herkunft wahrscheinlich der Sinai oder der Negev ist.
Man kann das Auftreten dieser Keramik als Hinweis auf
einen (Handels?-) Kontakt mit beduinischen Elementen werten.
Die Keramik der meisten Fundstätten, die Parallelen
geliefert hatten, ist von S. Seidlmayer studiert und in
ein koheräntes typologisches und chronologisches
System gebracht worden. Diesem System ließ sich
die Keramik aus den untersten Schichten von Tell el-Dabca-F/I
einfügen, wobei sich als Datierung das frühe
Mittlere Reich bis einschließlich der Regierungszeit
Amenemhet I ergab. Weiter Funde, etwa einige Skarabäen
und Fragmente von Alabaster Gefäßen, bestätigen
diese Datierung.
Die Silex-Geräte zeigen, daß die Bewohner der
Siedlung Landwirtschaft trieben, obwohl dies wohl nicht
ihre eigentliche Aufgabe war, zumindest nicht zu Beginn.
Die meisten Silices waren Sichelsteine, von denen viele
den sog. "Sichelglanz" zeigten, der sich durch
den Gebrauch bildet. A. Tillmann konnte zeigen, daß
das verwendete Silexmaterial aus dem Wadi el-Scheich in
Mittelägypten stammt, und nicht aus dem thebanischen
Raum, wie es später im Mittleren Reich zur Regel
wurde. Die Untersuchung von Tierknochen und verkohlten
Pflanzenresten lieferte wichtige Hinweise auf die Ernährung
der Bewohner.
Die Ergebnisse der Ausgrabungen in der Siedlung
von Tell el-Dabca F/I, str. e beleuchten eindringlich
die bescheidenen und bisher wenig dokumentierten Lebensumstände
in einer Stadt der ägyptischen Peripherie zu Beginn
des Mittleren Reiches fernab vom Glanz des Hofes und der
religiösen Zentren. |
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Literatur:
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Czerny E.
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Tell el-Dabca IX. Eine Plansiedlung des
frühen Mittleren Reiches. UZK 15, ÖAW,
Wien 1999 |
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Boessneck J. und Von den Driesch A.
|
Tierknochenfunde aus der frühen 12. Dynastie
vom Tell el-Dabca im Nildelta, in E. Czerny,
op.cit. |
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Tanheiser U.
|
Untersuchungen zur ägyptischen Landwirtschaft
in dynastischer Zeit an Hand von Pflanzenresten
aus Tell el-Dabca. Dissertation Wien 1987.
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Tillmann A.
|
Steinzeitkultur in der Hochkultur anhand des Materials
aus Tell el-Dabca und Qantir, im Druck. |
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Bietak M. und Eigner D.
|
Tell el-Dabca XIV, Ein Palastbezirk des
späten Mittleren Reiches und andere Siedlungsschichten.
Pläne und Profile, Wien, im Druck. |
|
Tell el-Dabca, Ein Palastbezirk des
späten Mittleren Reiches und andere Siedlungsschichten,
Stratigraphie, archäologischer Befund und Architektur.
In Vorbereitung. |
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Zu Parallelen siehe:
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Seidlmayer S.J.
|
Gräberfelder aus dem Übergang vom Alten
zum Mittleren Reich, SAGA 1, Heidelberg 1990 |
|
Bagh T.
|
Abu Ghalib, an Early Middle Kingdom Town in the
Western Nile Delta: Renewed Work on Material Excavated
in the 1930s, MDAIK 58(2002), 29– 61. |
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